· 

History 1977 – Rüge für Musholt

 

"In der Krise beweist sich der Charakter." (Helmut Schmidt 1918-2015). Dieses Zitat zeigt gerade in der aktuellen Situation seine Gültigkeit. Helmut Schmidt war ein herausragender Politiker. Viele Bundesbürger*innen schätzen ihn, wie auch der Vorsitzende der Südlohner SPD, Dr. Joachim Musholt, der alle seine Bücher gelesen hat. Und dennoch wäre Musholt 1977, als Vorstandsmitglied und Pressesprecher des SPD-Ortsvereins Südlohn-Oeding, wegen seiner Kritik am damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt beinahe aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ausgeschlossen worden.

 

In einem Leserbrief in den Ruhrnachrichten vom 26.05.1977 kritisierte J. Musholt einen Beschluss des SPD-Unterbezirks Borken, der vorsah alle Presseveröffentlichungen der Jungsozialisten zu kontrollieren und gegebenfalls zu zensieren. Einen solchen "Maulkorberlass" wollte er nicht dulden. In einem zweiten Leserbrief im gleichen Presseorgan vom 09. 06.1977 entrüstete sich Musholt über den Beschluss der Bundes-SPD, den Bundesvorsitzenden der Jungsozialisten Klaus-Uwe Benneter aus der SPD auszuschliessen, weil dieser "parteischädigendes Verhalten" an den Tag gelegt hatte. Musholt kritisierte, dass in der SPD mit zweierlei Mass gemessen werde. Zitat aus dem Leserbrief: (...)"Benneter hat der Partei geschadet. Benneter ist auf undemokratische Weise entfernt worden"(...). Helmut Schmidt hat sein Rentenversprechen gegenüber der Bevölkerung gebrochen (...). "Er ist weiterhin Mitglied der SPD".

 

Der Parteivorstand des SPD-Unterbezirks beantragte am 17.06.1977 bei der Schiedskommission der Partei, die "Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens" wegen "parteischädigenden" Verhaltens gegen den "Genossen" Musholt einzuleiten. Die mündliche Verhandlung fand am 13. Juli 1977 in Bocholt statt. Die Schiedskommission kam zu dem Urteil, angesichts der "zu missbilligenden Äusserungen" (der Kritik an Helmut Schmidt) (...) (Musholt) "eine Rüge erteilen zu müssen". In dem Artikel vom 26.05.1977 (Leserbrief gegen den Maulkorberlass) sah "die Schiedskommission dagegen ein verwerfbares Verhalten des Antragsgegners aus subjektiven Gründen nicht". Der Forderung des Antragstellers (Unterbezirksvorstand) auf "Funktionsentzug" oder "Parteiausschluss"  folgten die Richter nicht. Der "Verurteilte" konnte in der SPD aktiv bleiben und sorgte weiterhin für "lebhafte" parteiinterne Diskussionen.